Meine Erinnerungen an meine Kindheit sind leider generell ziemlich dürftig, so auch an meine Omi. So haben wir sie genannt. Ich habe sie zwar schon gekannt, als sie noch gehen konnte, die meisten Erinnerungen an sie habe ich jedoch durch meine Besuche in Kaumberg, wo sie schon im Rollstuhl saß.  Wir Enkelkinder, aber auch unsere Eltern bedeuteten ihr viel in ihrem durch ihre fortschreitende Krankheit zunehmend eingeschränkten Leben. Diese hat sie bis zuletzt tapfer ertragen, obwohl es ihr sicher nicht leicht fiel, sich immer mehr helfen lassen zu müssen, wie zum Beispiel ihre Beine immer wieder durch fremde Hilfe auf die Fußraste ihres Rollstuhls stellen lassen zu müssen.

An die Wohnung in der Belvederegasse kann ich mich auch nur dunkel erinnern. Es war eine große dunkle Wohnung mit einem großen Vorzimmer und einer langgezogenen Küche. Die Wände waren voll mit Omis Bildern. Viele von ihnen sollen unmittelbar nach ihrem Tod verschwunden sein.

Ihre Bilder haben mich schon als Kind beeindruckt. Sie konnte fast fotografisch genaue Kopien von Bildern alter Meister anfertigen. Ihre eigenen Bilder waren nicht so exakt, hatten aber vielleicht gerade deswegen eine besondere Lebendigkeit. Ihre Farben, Formen und die oft überraschende Bildgestaltung waren ihre persönliche Note. Von mir als kleinem Bub sind einige Bilder, hauptsächlich auf Postkarten und in ihren Skizzenbüchern erhalten geblieben. 

In Kaumberg war sie sehr gerne und genoss dort die Natur, die frische Luft, die Einfachheit des Landlebens und die Besuche, die ein wenig Abwechslung in ihr Leben brachten.

In der Nazizeit hat sie beim Fleischhauer  einen Witz über Hitler erzählt. Sie wurde denunziert, von der Gestapo abgeholt, einige Tage lang am Morzinplatz festgehalten und wohl auch verhört, jedoch wieder unbeschadet freigelassen.

Auf die Monarchie und Kaiser Franz Josef hielt sie sehr viel. Als ich für ihn einmal die ungewollt abwertende Bezeichnung „Prohaska“ verwendete, wurde sie sehr wütend. Vielleicht weil sie sich als gebürtige Korab von Mühlström selbst dem Adel zugehörig fühlte, was sie dann und wann auch durch ihre Wortwahl zeigte.

Von ihrem ersten Mann, also meinem Großvater mütterlicherseits, hat sie sich scheiden lassen, obwohl sie doch römisch-katholisch war. Sie ist deshalb, ebenso wie ihr zukünftiger Gatte, vor der Scheidung, aus der Kirche ausgetreten. Danach sollen die beiden am Standesamt geheiratet haben – um danach gemeinsam wieder der katholischen Kirche beizutreten. Ihr zweiter Mann war Opernsänger, ein sehr feiner und liebevoller Mann, der sich auch sehr fürsorglich und selbstlos um sie gekümmert hat, als sie durch ihre Krankheit hilfsbedürftig wurde.