Die Kaumberger nannten die Malerin Korab-Markhoff „die Frau Kammersänger“, so wie die Frau eines Doktors die Frau Doktor genannt wird oder die Frau eines Hofrats die Frau Hofrat. Franz Markhoff war zu seinen Zeiten ein in seinem Fach gelobtes Mitglied der Wiener Staatsoper gewesen, worauf der Ehrentitel Kammersänger hindeutet, der ja nicht jedem zuteil wird. Seine mit Farbtuben, Pinseln und Leinwand hantierende Frau hingegen, dachte man, suche wie viele Damen der höheren Gesellschaft, in der Malerei bloß etwas Abwechslung und Vergnügen. Beim Betrachten ihrer Bilder, die sich heute noch im Besitz der Familie befinden, wird aber klar, dass eine solche Sicht ihrer malerischen Tätigkeit keineswegs gerecht würde. Zweifellos war sie eine bedeutende Künstlerin, die nicht nur ihr Handwerk gründlich beherrschte, sondern den Dingen in einem visionären Sehen, man könnte fast sagen, huldigte. Ihre Blumenbilder und Kaumberger Ansichten sprechen eine zarte Sprache, wie sie nur über ihren Pinsel zum Klingen gebracht werden konnte.

Das Paar lebte in einer gewissen ländlichen Abgeschiedenheit, besonders als die Kriegswirren vorüber waren, und geriet vielleicht sogar in eine Art Schockstarre, als wir, meine Familie und ich, begleitet von einem unartigen Schäferhund, einer Katze, mehreren Enten und Hühnern, 1950 auf dem angrenzenden Grundstück ein Haus errichteten, dessen Erbauung für die Nachbarn wahrscheinlich auch gerade kein Vergnügen war. All das darauffolgende Gehutsche, Tischtennisgeklopfe und Geschrei, nahmen sie, wie mir heute scheint, mit stoischer Ruhe hin.

Es kam nie zu einem nachbarlichen Streit, nur einmal zu einer Rüge oder Klage durch den Herrn Kammersänger, der einer Begrüßung durch unseren leidenschaftlichen Hund nicht mehr ausweichen konnte und nicht wiedergutzumachende Schäden an seinem Kamelhaarmantel hinnehmen musste. Auch den Lärm tolerierte die Künstlerin, aber als ich eines Tages mehrere Male ohne Unterlass meine Flöte traktierte, und das bis spät in die Nacht hinein, vernahm ich einen Wehlaut aus dem Nachbargarten, so dass ich die Flöte erschreckt fallen ließ – und nie wieder berührte.

Vielleicht war sie sogar dankbar dafür und lud mich darum ein, ihr ein bisschen Gesellschaft zu leisten, wobei dann auch ein Bild von mir entstand. Beim Betrachten ihrer Bilder, viele Jahre später, bedauerte ich, dass ich damals wohl keine hinreißende Gesellschafterin für sie war. Ich verstand eben damals gerade so viel von der Kunst, um auf der Flöte „Mein Vater war ein Wandersmann“ zu spielen…